Brandherde im Körper (Ildsteder i kroppen)

Ein Mann hat Schmerzen im Unterleib und hohes Fieber. Er kann weder stehen noch laufen. Ist der Blinddarm durchgebrochen? Nach langem Suchen finden die Ärzte die Ursache - an einer ungewöhnlichen Stelle

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Der Mann war grau, als damals zu uns ins Krankenhaus in Veldhoven kam. Er war grau im Gesicht, hatte graue Haare, sein ganzer Körper war grau. Der 58-Jährige wurde im Rollstuhl in unsere Notaufnahme gebracht, in der ich zu jener Zeit als junger Assistenzarzt für Allgemeinchirurgie arbeitete. Seit zwei Tagen konnte er weder stehen noch laufen. Zudem litt er unter hohem Fieber und starken Schmerzen im Unterleib. In sich zusammengesunken saß er da und reagierte nur sehr schleppend auf meine Fragen.

Er kam aus der neurologischen Klinik, in der er zunächst untersucht worden war. Da er nicht mehr laufen konnte, hatten die Ärzte einen Hirntumor oder eine Gehirnentzündung vermutet. Sie fanden jedoch nichts. Wegen der starken Schmerzen brachten die Kollegen ihn nun in die Notaufnahme. Wir nahmen ihm Blut ab: Die Laborwerte zeigten, dass er an einer Entzündung litt. Ich dachte zuerst an eine Infektion des Bauchfells als Folge eines Blinddarmdurchbruchs. Oder an eine Divertikulitis, bei der sich Ausstülpungen des Darms entzünden. Allerdings waren dafür die Schmerzen eher untypisch: Bei diesen Erkrankungen spürt man sie im ganzen Bauch, nicht nur im Unterleib.

Ich ließ ein Computertomogramm des Bauchs anfertigen - darauf war nichts Auffälliges zu sehen. Da es dem Patienten sehr schlecht ging, entschieden wir uns, seine Bauchdecke im Operationssaal zu öffnen und nachzusehen. Wir konnten jedoch nichts Verdächtiges entdecken und nähten den Schnitt wieder zu. Ich war verwirrt und alarmiert. Schließlich wusste ich noch immer nicht, was dem Mann fehlte. Ich beriet mich mit einem erfahrenen Chirurgen, wir besprachen uns mit Kollegen aus der Urologie und der Inneren Medizin.

Immerhin zeigten uns die Bakterienkulturen der Blutproben bald, welcher Erreger den Patienten befallen hatte: Staphylococcus aureus. Wir verordneten dem Mann Antibiotika-Infusionen. Jetzt vermuteten wir eine Infektion der Wirbelsäule und ließen die Knochen mithilfe radioaktiver Marker untersuchen. Die radioaktiven Substanzen reichern sich in infizierten Körperbereichen an. Zu unserem Erstaunen sammelten sich die Marker in der Schambeinfuge - dort, wo die linke und rechte Beckenhälfte aufeinandertreffen.

Doch woher kam die Infektion? Der Mann hatte keine Wunde in diesem Bereich, und eine Entzündung im Bauch hatten wir schon ausgeschlossen. Es blieb also nur eine Möglichkeit: Die Bakterien waren über die Blutbahn in den Knochen gewandert. Jetzt mussten wir den Infektionsherd im Körper suchen. Ein Ultraschall des Herzens schloss eine Entzündung der Herzinnenhaut als mögliche Quelle aus; auch eine Lungenentzündung hatte der Patient nicht.

Am dritten Tag erinnerte sich der Mann plötzlich daran, dass er wenige Tage vor Beginn der Beschwerden starke Zahnschmerzen gehabt hatte. Sofort riefen wir einen Zahnarzt hinzu, der im rechten Unterkiefer einen entzündeten Backenzahn fand. Als er diesen entfernte, quoll Eiter hervor — direkt unter dem Zahn lag ein Abszess. Offensichtlich waren aus dem eitrigen Zahn Bakterien in die Blutbahn gelangt: Sie hatten eine Blutvergiftung und eine Entzündung der Schambeinfuge ausgelöst. Davon halte ich noch nie gelesen.

Allerdings wussten wir immer noch nicht, warum der Mann überhaupt nicht laufen konnte — die entzündete Schambeinfuge war zwar schmerzhaft, hätte aber ein vorsichtiges Auftreten möglich gemacht. Mein erfahrener Kollege riet mir, ein Kernspintomogramm des Beckens erstellen zu lassen. Damit kann man Veränderungen im Weichteilgewebe entdecken. Und tatsächlich: Wir fanden zwei Abszesse in den Muskeln beider Oberschenkelinnenseiten, mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern. Der Eiter der Schambeininfektion hatte sich dort gesammelt. Darum hatte der Patient weder stehen noch gehen können.

Wir entfernten den Eiter aus den Muskeln, versorgten die Wunden, verschrieben weiterhin Antibiotika. Nach einer Woche konnte der Mann unsere Klinik verlassen. Es dauerte noch einen Monat, bis er wieder richtig auf den Beinen war.

Dr. Bram Keulers, 36
Der Facharzt für Plastische Chirurgie und Handchirurg arbeitet im Krankenhaus Bernhoven in Uden, Niederlande


Kildereference

"Brandherde im Körper". Stern, 12.12.2013, S. 59